eine modifizierte Internet-Fassung vom 18.10.2003

 

Ryszard Lipczuk

WY¯SZA SZKO£A PEDAGOGICZNA im. T. KOTARBIÑSKIEGO ZIELONA GÓRA .

STUDIA I MATERIA£Y XXXVIII 1993

GERMANISTYKA 10 str. 29-38

 

FAUX AMIS, TAUTONYME, INTERNATIONALISMEN

In diesem Beitrag sollen thesenartig die im Titel anvisierten Begriffe bestimmt werden. Ein ausführlicher Bericht über die dazu vorhandenen Arbeiten bleibt aus¹.

1. "Falsche Freunde des Übersetzers"

("faux amis du traducteur"*)

Als "falsche Freunde des Übersetzers" betrachtet man meistens sprachliche Ausdrücke (meist Wörter) in zwei Sprachen, die aufgrund formaler Ähnlichkeit den Eindruck erwecken können, daß sie gleiche Bedeutung (Funktion) haben, was allerdings nicht zutrifft. Solche Ausdrücke können somit zu Mißverständnissen beim Gebrauch einer Fremdsprache, beim Übersetzen o.ä. führen. So ist ein polnischer Muttersprachler geneigt, den deutschen Ausdruck obskures Lokal als obskurny ("schmutzig, vernachlässigt") lokal wiederzugeben, während die richtigen Entsprechungen des deutschen obskur etwa podejrzany,ow¹tpliwej reputacji sind. Deutsches

1 Über mehrere Arbeiten zum Problem der "faux amis" berichtet mein Beitrag: "Falsche Freunde des Übersetzers" als Gegenstand der linguistischen Forschung und der lexikographischen Praxis, Acta Universitatis Nicolai Copernici, Filologia germañska XIV, Toruñ 1991, S. 95-102.

* Darüber hinaus werden etwa folgende Bezeichnungen gebraucht: zwischensprachliche Homonyme, Heteronyme, lexikalische Scheinidentitäten, Scheinäquivalenz, interlinguale Analogismen, misleading words of foreign origin, deceptive cognates

Kriminalist (etwa: "Kriminalbeamter") entspricht nicht dem polnischen Gegenstück kryminalista ("Krimineller, Verbrecher" )2.

Man kann eine enge und eine weite Auffassung der "faux amis" unterscheiden. Nach der engen Auffassung sind "falsche Freunde" Wörter von zwei (oder mehr als zwei) Sprachen, die bei gleicher oder ähnlicher Form sich in ihrem semantischen Gehalt unterscheiden.

       Nach der weiten Auffassung können als "faux amis" Ausdrücke verschiedener Art betrachtet werden, und zwar:

1) Wörter mit ähnlicher Form, aber unterschiedlichen Bedeutungen (vgl. die enge Auffassung) (semantische Faux Amis)

2) Wörter mit bestimmten Unterschieden in der Schreibung (die Bedeutungen können unterschiedlich oder identisch sein)(orthographische Faux Amis):
Dt. Aggression –Poln. agresja, Dt. Dr. –Poln. Dr, Dt. Krokodil – ital. coccodrillo3

3) Wörter mit bestimmten Unterschieden in der Aussprache: Dt. Laser [le:z ∂r], Poln. laser [laser] (phonetische Faux Amis) 4

4) Wörter mit bestimmten Unterschieden in der Wortbildungsstruktur: Dt. paradox – Poln. paradoksalny, Dt. absurd – Poln. absurdalny (Suffix – alny im Polnischen, kein Suffix im Deutschen), Dt. katastrophal - Franz. catastrophique  (Suffix – al im Deutschen, Suffix –ique im Französischen), Dt. Zitat - Franz. citation (Suffix – at im Deutschen, Suffix –ation im Französischen),Dt.  illoyal - Franz.  deloyal (Präfix il-  im Deutschen, Präfix de- im Französischen).

5) Wörter mit ähnlicher Form aber bestimmten grammatischen Unterschieden (z.B. im Genus bei Substantiven) (grammatische Faux Amis):: Dt. das Zitat – Poln. (ten) cytat, Dt. die Bar –Poln. (ten) bar, Dt. die Rolle -Franz. le rộle.

6) Wörter mit gleicher Wortbildungsstruktur, aber unterschiedlicher phonologisch-graphischer Gestalt und unterschiedlicher Bedeutung: Dt. überhören  ("etwas hören, aber darauf nicht reagieren") - Engl. to overhear ("etwas zufälligerweise zu Hören bekommen")6;

 

2 Fehlerhafte Gleichsetzung von bestimmten Lexemen ist leider eine häufige Erscheinung in zweisprachigen Wörterbüchern; vgl. das Stichwort Kriminalist  [in:] J. Pi p r e k, J. I p p o l d t, Großwörterbuch Deutsch-Polnisch, Bd. 1, Warszawa 1972.

3 Ähnliche Beispiele für die deutsch-französische Relation werden bei H. K ü h n e 1, Kleines Wörterbuch der "faux amis". Deutsch-Französisch. Französisch-Deutsch, 2. Aufl., Leipzig 1982, S. 7 genannt.

4 Über derartige Beispiele schreibt E. K a Ÿ m i e r c z a k, Die "falschen Freunde" als Fehlerquelle in der polnisch-deutschen Übersetzungspraxis, "Kwartalnik Neofilologiczny", 1987, 3, S. 319 ff.

5 Vgl. H.-W. K 1 e i n, Schwierigkeiten des deutsch-französischen Wortschatzes. Germanismen-FauxAmis,  Stuttgart 1975.

 

7) Wörter einer Sprache, die in einer früheren Zeit eine andere Bedeutung hatten als in der Gegenwartssprache: Dt. List (früher: "Wissen, Fähigkeit", heute: "Schlauheit"), Poln. polityczny (früher: "höflich, taktvoll", heute: "politisch") (diachronische Faux Amis): 7.

8) Phraseologismen mit ähnlicher Struktur, aber unterschiedlichen Bedeutungen: Dt. den Kopf verlieren ("verwirrt sein; nicht wissen, was man tun soll") -Poln. straciæ g³owê (auch: "dem Charme einer Person erliegen") (phraseologische Faux Amis): 8;

9) bestimmte Äußerungen (Äußerungstypen) mit gleicher oder ähnlicher Form und verschiedenen kommunikativen Funktionen (pragmatische Faux Amis): Dt. Tschüß! (verwendbar beim Abschied) - Poln. Czeœæ! (verwendbar beim Abschied und als Begrüßung); Dt. Hallo! hat einen größeren Verwendungsbereich als poln. Halo!

10) Einzelwörter (keine Wortpaare), die in einer Sprache gebraucht werden, in der anderen aber nicht existieren (fiktive Faux Amis), z.B.: funktioniert im Norwegischen die Zusammensetzung sendeman, im Deutschen dagegen nicht, dafür aber : Botschafter, Gesandter.

     So können die "Faux amis" verschiedenartige Ausdrücke umfassen, von denen aber die unter 1) genannten wohl am wichtigsten sind. Es sind eben Unterschiede im semantischen Bereich, die besondere Gefahr in der sprachlichen Kommunikation darstellen. Kein Wunder, daß sich gerade solche Ausdrücke (Wörter mit ähnlichen Formen, aber unterschiedlichen Bedeutungen) im Mittelpunkt der meisten Untersuchungen über die "falschen Freunde" befinden. Derartige Ausdrücke seien hier als T a u t o n y m e9 (gr. ta uta = das gleiche, onyma = Name, Form) bezeichnet. So bilden Tautonyme nur eine, wenngleich wichtige Unterklasse der "falschen Freunde des Übersetzers"lO. Wenn hier von Bedeutung die Rede ist, so will ich als

6 VgI. M. P e r l, R. W i n te r, Zum Problem der "false friends", "Fremdsprachenunterricht" 1972, 4, S. 183 ff.

7 W. Koller nennt solche Wörter diachronische "faux amis" (W. K o l l e r, Einführung in die Übersetzungswissenschaft, Heidelberg 1979, S. 35 ff).

8 Vgl. E. E h e g ö t z, Zur Problematik der "falschen Freunde des Übersetzers" im Bereich der polnisch-deutschen Phraseologie, [in:] Aktuelle Fragen der Lexikologie . und Phraseologie slawischer Sprachen, Studien. Humboldt- Universität, 4, Berlin 1989, S. 33-42.

9 Der Terminus" Tautonym" wird auch bei E. R a j n i k, Tautonyme Personenbezeichnungen im Dänischen und Polnischen. Eine kontrastive Studie, Poznañ 1987 gebraucht, allerdings werden darunter auch Ausdrücke mit gleichen Bedeutungen verstanden.

10 \/gl. dazu u.a. meine Arbeiten: Verbale Tautonyme lateinischer Herkunft in deutsch- polnischer Relation. Ein Beitrag zur semantischen Beschreibung nach dem gebrauchstheoretischen Ansatz, Göppingen 1987; Zum Problem der "falschen Freunde des Übersetzers", [in:] Theorie und Praxis der deutsch-polnischen Konfrontation und Translation, Rzeszów 1989, S. 41-52; "Falsche Freunde des Übersetzers". Forschungsprobleme und Streitfragen, [in:] Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses, 1990, Bd. 4, München 1991, S. 404-411.

 

 

Bedeutung verschiedenartige Gebrauchsregeln ansehen. Außer den Bezugsregeln (Bezug zu außersprachlichen Denotaten bzw. die Möglichkeit, ein Wortformativ in bezug auf ein Denotat zu verwenden) sollen der Wortbedeutung auch die sog. Stilschichten (z.B. umgangssprachlicher Gebrauch, territorialer Gebrauch (z.B.: verwendbar nur in Österreich), zeitliche Zuordnung (z.B. veraltet) oder Gebrauchshäufigkeit zugerechnet werden11

Gerade solche Unterschiede spielen im Bereich der Tautonyme eine nicht zu unterschätzende Rolle. So sind in der deutsch-polnischen Relation recht viele
W o r t p a a r e anzutreffen, in denen das polnische Lexem geläufig und das deutsche Gegenstück veraltet ist (z.B. ambasada -Ambassade, decydowaæ - dezidieren).

Tautonyme (wie auch andere Arten der "falschen Freunde") beziehen sich in erster Linie auf zwei Sprachen und können sowohl auf der Textebene (z.B. bei der Translation) als auch auf der Systemebene (eine Form mit einer bzw. mehreren Bedeutungen in einer Sprache gegenüber einer analogen Struktur in der anderen Sprache) behandelt werden12.

Eine auf Ermittlung der potentiellen Interferenz ausgerichtete Untersuchung der Tautonyme soll m.E. den zweiten Aspekt (die systemhaften semantischen Unterschiede zwischen zwei Sprachen) in den Vordergrund stellen. Obwohl sich die Tautonyme in erster Linie auf zwei Sprachen beziehen, bestehen keine Gründe dafür, auch mehr als zwei Sprachen miteinzubeziehen. Untersucht man bspw. die formalen und semantischen Funktionen von dt. Etat ("Staatshaushalt"), franz. etat ("Staat") und poln. etat ("Arbeitsstelle"), so kann man sagen, daß diese drei Lexeme Tautonyme sind.

11 Zu einer Konzeption der Gebrauchstheorie der Bedeutung vgl. u.a. R. L i p c z u k, Verbale Tautonyme..., S. 28 ff.

12Man kann J. Maækiewicz nicht zustimmen, wenn sie behauptet, daß sich "falsche Freunde" (als Tautonyme in unserem Sinne) lediglich auf die Übersetzungspraxis beziehen, im Unterschied zu den lnternationalismen, die in Sprachsystemen existieren   (J. M a æ k i e w i c z, Co to s¹ tzw. internacjonalizmy?, "Jêzyk Polski", 1984, 5) Tautonyme (so wie andere Wörter) kommen m.E. sowohl auf der zwischensprachlichen Textebene (wo Unterschiede zwischen einer bestimmten Bedeutung in einer Sprache einer Bedeutung in der anderen Sprache Mißverständnisse beim Übersetzen hervorrufen) als auch auf der Systemebene (wo mehrere potentielle Bedeutungen in Frage kommen

13 Vgl. dazu u.a.: R. L i p c z u k, Semantische Relationen im Bereich der lexikalischen Tautonyme im Deutscben und Polnischen, [in:] Studien zum polnisch-deutschen Sprachvergleicb 2, Kraków 1985, S. 61 ff.

Als ausschlaggebend für Tautonyme sei hier nicht die gemeinsame Herkunft14, sondern formal-semantische Eigenschaften auf synchroner Ebene und die Interferenzanfälligkeit betrachtet. So kann man wohl dt. Kraxe ("Rucksack mit Traggestell", Erbwort) und poln. kraksa ("Panne, Verkehrsunfall"); aus dem Englischen) als Tautonyme anerkennen, weil hier eine Interferenz nicht auszuschließen ist.

Es seien nun mehrere Beispiele für Tautonyme in bezug auf Deutsch, Polnisch, Englisch, Französisch, Russisch und Tschechisch angeführt.

 

Deutsch-Polnisch

Artist (Zirkus- oder Varietekünstler) - artysta (Künstler)
Athlet (Kraftmensch; Sportler, Wettkämpfer) - atleta (Kraftmensch; Gewicht heber, Ringer o.ä.)
Diktion (Schreib- und Sprechweise) - dykcja (Sprechweise)
Kiebitz (jmd., der beim Schach- oder Kartenspiel zuschaut) - kibic (Fan, Sportanhänger, Sportfreund)
kollidieren (zusammenstoßen; im Widerspruch stehen) - kolidowaæ (im Widerspruch stehen)
Kommunikation (Verständigung, Verbindung) - komunikacja (Verkehr, Verkehrswesen; Kommunikation)
Konkurs (Zahlungsunfähigkeit, Pleite) - konkurs (Wettbewerb, Preisaussschreiben)
Kriminalist (Beamter der Kriminalpolizei) - kryminalista (Verbrecher, Krimineller)
Matura (Abitur, in Österreich) - matura (Abitur)

observieren (beobachten, beschatten) - obserwowaæ (beobachten)
obskur (dunkel, fragwürdig, anrüchig) - obskurny (schmutzig, häßlich)
proponieren (vorschlagen, veraltet) - proponowaæ (vorschlagen)
Relation (Beziehung, Verhältnis) - relacja (Relation; Bericht, Ubertragung)

 
 

14 Gemeinsame Etymologie betont u.a. H. K ü h n e 1, Die französischen "faux amis" im deutschen Wortschatz, "Deutsch als Fremdsprache", 1974, 2, S. 115 ff.

Deutsch-Französisch

blamieren (bloßstellen, lächerlich machen) -  blâmer (tadeln)
Büro (Raum für schriftliche oder verwaltungs technische Arbeiten) – bureau (Büro; Schreibtisch)
debil (med.) (leicht schwachsinnig) - debil (körperlich schwach)
Dossier (Akten) - dossier (Akten; Rücklehne)
Etat (Staatshaushalt) - état (Staat)
Foyer (Wandelhalle, bes. im Theater) - foyer (Herd, Feuerstätte, Heim; Wandelhalle, bes. im Theater)
Glas (durchsichtiger. Werkstoff zur Herstellung. von Fensterscheiben, Gefäßen usw.; Trinkgefäß) - glace (Spiegel; Eis)
ignorieren (absichtlich nicht beachten) - ignorer (nicht wissen; absichtlich i nicht beachten)
Klavier (Spielgerät) - clavier (Tastatur)
Kuriosität (merkwürdige Sache) - curiosité (Neugier; merkwürdige Sache; Sehenswürdigkeit)
observieren (jdn. beobachten, beschatten) - observer (Gesetze, Vorschriften beachten; beobachten)
Pharmazie (Wissenschaft von den Arzneimitteln) - pharmacie (Pharmazie; Apotheke)
 

Deut s c h –E n gl i s c h

aktuell (gegenwärtig vorhanden) - actual (wirklich, tatsächlich)
Audienz (Empfang bei einer hochgestellten Persönlichkeit) - audience (Zuhörerschaft, Auditorium; Audienz)
Diskretion (Verschwiegenheit, Vertraulichkeit) - discretion (Urteil, Ermessen)
Kollaboration (Zusammenarbeit mit dem Feind) -  collaboration (Zusammenarbeit)
eventuell (möglicherweise) - eventual (schließlich)
genial (hochbegabt, überdurchschnittlich) - genial (freundlich, herzlich)
Instruktion (Anleitung, Anweisung) -  instruction (Lehre, Ausbildung; Anleitung, Anweisung)
Konkurrenz (Wettbewerb, Rivalität) - concurrence (Übereinstimmung)
Novelle (kleinere Prosaerzählung) -  novel (Roman)
Okkupation (militärische Besetzung) -  occupation (Job, Arbeit; militärische Besetzung)
prägnant (exakt, genau treffend) -  pregnant (schwanger)
Rezept (Arzneiverordnung, Kochvorschrift) -  receipt (Quittung) sympathisch (angenehm, anmutig) -sympathetic (mitfühlend)


Po l n i s c h -T s c h e chi s c h

bezcenny (von sehr großem Wert) -bezcenny (wertlos, ohne Wert)
byt (Existenz, Sein) -byt (Wohnung)
dziwak (Sonderling, komischer Mensch) -divak (Zuschauer)

dziwiæ siê (sich wundern) -sie divati (zuschauen)
gruby (dick) -hruby (grob, undelikat)
niewiasta (scherzh.: Frau) -nevesta (Braut)
nieprzytomny (ohnmächtig, bewußtlos) -nepritomny (abwesend)

popieraæ (unterstützen) -popirati (leugnen, widersprechen)
sprawa (Angelegenheit, Sache) -sprava (1. Reparatur, 2. Verwaltung, Leitung)
podobaæ siê (gefallen) -podobati se (jdm. ähnlich sein)
zachód (Westen) -zachod (Toilette, Klosett)
zapach (Duft) -zapach (schlechter Geruch)
zimny (kalt) -zimny (winterlich)

 

P o l n i s c h -R u s s i s c h

gadaæ (schwatzen, reden) -gadat' (wahrsagen)
gnuœny (träge) -gnusnyj (niederträchtig, abscheulic
h)

groza (Entsetzen, Grausen) -groza (Gewitter)
gruby (dick) -grubyj (grob, derb)

krzes³o (Stuhl) -kreslo (Sessel)
list (Brief) -list (1. Baumblatt, 2. Papierblatt)

naprawiæ (reparieren) -napravit' (richten, senden an)
odetchn¹æ (aufatmen) -odetchnut' (sic
h ausruhen)

przystojny (gut aussehend) -pristojnyj (anständig, ordentlich)
rodzina (Familie) -rodina (Heimat)

uczciwy (ehrlich) -uctivyj (freundlich, höflich)-
zakon (Orden) -zakon (Gesetz)

zapominaæ (vergessen) -zapominat' (sich merken)
¿a³oba (Trauer) - ¿a³oba (Klage)

2. Internationalismen

Als Internationalismen seien in erster Linie Wörter betrachtet, die in mehreren Sprachen mit gleicher (ähnlicher) Form und gleicher (ähnlicher) Bedeutung auftreten. Beispiele: Dt. Technik, Engl. technics,Franz.technique, It. tecnica, Span. tecnica, Poln. technika; Engl.television, Franz. television,  Schw. television, It. televisione,Türk.  televizio,  Japan.  terebijon. Meistens (allerdings nicht immer) haben sie die gleiche Herkunft. Internationalismen stammen oft aus dem Lateinischen (z.B.: Dt. Prädikat, Engl. predicate, Franz. predicat, Poln. predykat) und Griechischen (Dt. Demagoge, Engl. demagogue, Franz. demagogue, Poln. demagog), aber auch andere Gebersprachen kommen in Frage:

-Englisch:

Dt. Leader, Franz. leader,Poln.lider

.-Französisch:
Dt. Debüt, Engl. debut, Poln.debiut

-Deutsch:
Engl. putsch, Franz. putsch,Poln.pucz

-Slawische Sprachen:
Dt. Vampir, Engl. vampire, Franz. vampire

-Japanisch:
Dt. Soja, Engl. soya, Franz. soya, Poln. soja.

-Arabisch:

Dt. Alkohol, Engl. alcohol,Franz.alcool

-Persisch:
Dt. Bazar, Engl. bazaar, Franz. bazar, Poln. bazar 

-Afrikanische Sprachen:
Dt. Banane, Engl. banana, Franz. banan,

-Indische Sprachen:
Dt. Dschungel, Engl. jungle.Franz.junglel5


Entscheidend ist aber ihr formal-semantischer Status auf synchronischer Ebene.

     In wieviel Sprachen müssen bestimmte Lexeme auftreten, um als Internationalismen anerkannt zu werden? Es sei hier angenommen, daß sie in mindestens drei Sprachen auftreten sollen, die wenigstens zwei Sprachgruppen (Sprachfamilien) angehören (z.B. Deutsch, Englisch, Französisch oder Deutsch, Französisch, Japanisch). Es scheint auch, daß nur große, jedenfalls bedeutende Kultursprachen in Frage kommen (wären es bspw. drei kleine Sprachen vom austronesischen Raum, die verschiedenen Sprachfamilien angehören, könnten sie nicht als Internationalismen anerkannt werden)17. Weitere Bedingungen wären:
-eine deutliche Ähnlichkeit der Form (auf graphischer und/oder phonologischer Ebene), wobei wenigstens die Grundmorpheme ähnlich (gleich) ) sein sollen;
-die Gleichheit oder Ähnlichkeit des semantischen Gehalts: die Hauptsememe bzw. andere nicht periphere Bedeutungen der in Frage kommenden Wortformative sollen weitgehende Übereinstimmung aufweisen.
Solche internationalen Wörter kann man als Internationalismen im engeren Sinne bezeichnen. Als Internationalismen können darüber hinaus angesehen werden:

 

15 P. B r a u n, Internationalismen - gleiche Wortschätze in europäischen Sprachen, [in:] P. B rau n, B. Sc h a e d e r,

J. V o l m e r t (Hgg.), Internationalismen, Studien zur interlingualen LexikologieundLexikographie,Tübingen 1990, S. 27 ff.

16 Vgl. J. V o l m e r t, Interlexikologie - theoretische und methodische Überlegungenzu einem neuen Arbeitsfeld, [in:] P. B r a u n, B. Sc h a e d e r, J. V o l m e r t (Hgg), op. cit., S. 50. Ähnlich äußert sich dazu J. M a æ k i e w i c z, op. cit.

-in mehreren Sprachen in gleicher (ähnlicher) Form und Bedeutung auftretende Morpheme, z.B.: anti-, anty; -ismus, -izm, -ism, -isme;
-in mehreren Sprachen mit gleicher (ähnlicher) Bedeutung auftretende Phraseologismen, die zwar sprachspezifisch verschiedenene phonologisch-graphische Formen, aber gleiche (ähnliche) Struktur aufweisen: Dt. ganz Ohr sein, Engl. to be all ears, Franz. ểtre tout oreilles18. Die Bedeutungen sind meistens gleich, in Frage kommen aber auch semantische Abweichungen (solche Interphraseologismen sind zugleich "falsche Freunde").

-in mehreren Sprachen verwendete Syntagmen, z.B.: ad rem, et cetera19.

3. "Falsche Freunde des Übersetzers" und Internationalismen

:Sowohl "falsche Freunde" als auch Internationalismen können weit oder eng aufgefaßt werden. Bleibt man bei der engen Auffassung, die sicher die wichtigsten Ausdrücke der beiden Erscheinungen umfaßt, kann man zwischen den Tautonymen und den Internationalismen (internationalen Wörtern) etwa folgende Relationen feststellen. In semantischer Hinsicht gilt für Tautonyme, daß sie bestimmte zwischensprachliche Unterschiede aufweisen müssen,während Internationalismen solche Unterschiede aufweisen können, aber grundsätzlich gleiche oder ähnliche Bedeutungen haben. Ein Teil der Internationalismen kann also auch "falsche Freunde" sein, z.B.: dt. diskriminieren (u.a.: "unterdrücken"; "herabsetzen, herabwürdigen"), , poln. dyskryminowaæ ("unterdrücken"). Dagegen müßte man das englische. to discriminate mit Bedeutung "etw. von etw. unterscheiden" und to discriminate mit Bedeutung "unterschiedlich behandeln") als Homonyme betrachten, wobei nur das zweite Lexem als internationales Gegenstück zum deutschen und polnischen Lexem anzusehen ist. Andererseits können solche Tautonyme, die nur innerhalb einer bestimmten Sprachgruppe auftreten, nicht als Internationalismen gelten, z.B.: Poln. gruby ("dick"), Russ. grubyj ("grob, ordinär"), Tsch. hrubý ("grob, ordinär")20. Während für Tautonyme die potentielle Interferenz als eines der wichtigsten Unterscheidungskriterien gilt, ist für Internationalismen ein möglichst hoher Grad semantischer Übereinstimmung und die Fähigkeit, als Übersetzungsäquivalente zu fungieren und somit die Sprachkommunikation zu erleichtern, von Belang. Darüber hinaus beziehen sich die "faux amis" meistens auf zwei Sprachen, während internationale Wörter für mindestens drei Sprachen gelten.

Die im Beitrag angewendeten Abkürzungen:

 

Dt. –Deutsch
Franz. -Französisch
It. -Italienisch
Japan. -Japanisch
Poln. -Polnisch
Russ. -Russisch
Schw. -Schwedisch
Tsch. –Tschechisch

Türk. -Türkisch

 

17 P. A. S c h m i t t, Anglizismen in den Fachsprachen. Eine pragmatische Studie - am Beispiel der Kerntechnik, Heidelberg 1985, S. 42 ff.

18 Vgl. P. B r a u n, D. K r a l l m a n n, Inter-Phraseologismen in europäischen Sprachen, [in:] P. B r a u n, B.  Sc h a e der, J. V o l m e r t (Hgg.), op. cit., S. 74 ff.

19 Vgl. V o l m e r t, op. cit., S. 49. Im Artikel von  J. Volmert, a.a.O. (vgl. auch  B. S c h a e d e r, Versuch einer theoretischen Grundlegung der lnternationalismen-Forschung, [in:]
P. B r a u n, B.  S c h a e der, J. V olm e r t  (Hgg.), op. cit., S. 34 ff) wird die Ebene der Interlangue (die für mehrere Sprachen gilt) und der Interlexeme eingeführt. Mehrere einzelsprachliche Lexeme werden als ein Internationalismus bezeichnet. Ich glaube, daß die Annahme einer so abstrakten Ebene nicht notwendig ist;  statt im Falle von Dt. Kultur, Engl. culture, Franz. culture,  Poln. kultura von einem einzigen Internationalismus zu sprechen, scheint die Annahme von vier verschiedenen Internationalismen (die ja ihre spezifischen Formen und Bedeutungsschattierungen haben) der Sprachwirklichkeit näher zu sein.

20 B.  S c h a e d e r, op. cit., S. 40, spricht von Slawismen, Germanismen, Romanismen als Wörtern mit ähnlicher Form und Bedeutung, die nur innerhalb einer Sprachgruppe auftreten.